Leadership Interview - Rick McInnis
Rick McInnis arbeitet seit über zwanzig Jahren für Greiner Bio-One North America. In seiner jetzigen Funktion als Executive Vice President of Finance ist Rick auch Mitglied des Executive Boards von Greiner Bio-One North America. Er verantwortet unsere Finanzabteilung (einschließlich Controlling und Buchhaltung) und unsere Personalabteilung. Im folgenden Interview reflektiert Rick, wie sich die COVID-19-Pandemie auf das Geschäft von Greiner Bio-One ausgewirkt hat, welche Maßnahmen unser Management zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergriffen hat und wie die Pandemie Greiner Bio-One in Bezug auf Leadership, Kultur und Arbeit in den Abteilungen verändert hat.
Vor über einem Jahr war Greiner Bio-One North America zum ersten Mal von der COVID-19-Pandemie betroffen. Welche Herausforderungen sahen Sie damals und wie hat Greiner Bio-One sie gemeistert? Wie haben sich die Herausforderungen und Maßnahmen angesichts der kritischen COVID-19-Situation verändert?
Die Pandemie war für uns etwas völlig Neues. Wir hatten ja in unserem geschäftlichen Umfeld bei Greiner Bio-One North America so etwas noch nie erlebt. In den Vereinigten Staaten hinkten wir dem Szenario, das sich in Europa und Asien abspielte, hinterher. Glücklicherweise hat Greiner als ganzes Unternehmen eine sehr proaktive Haltung eingenommen und ein Corona-Komitee – so nenne ich es mal – innerhalb der Greiner AG in Österreich gegründet. Das Komitee hat Richtlinien für die verschiedenen Sparten entwickelt und diese mit allen Greiner-Tochtergesellschaften weltweit geteilt. Wir haben dieses strenge Protokoll dann auch so umgesetzt, einschließlich Händewaschen, Tragen einer Mund-Nasen-Maske, Abstandhalten und Messen der Körpertemperatur, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Besucherinnen und Besucher unseren Standort betraten. Außerdem beschränkten wir den Zugang zu unserem Werk für Externe. Wir haben Technikerinnen und Technikern gestattet, das Werk nur zu Wartungszwecken zu betreten, wann immer dies erforderlich war. Wir haben das Vorgehen bei Bewerbungsgesprächen mit potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geändert. Wir haben einen COVID-Fragebogen erstellt, den jede und jeder vor Betreten der Einrichtung ausfüllen musste. Unter anderem waren darin folgende Fragen enthalten: 'Hatten Sie Kontakt zu jemandem, bei dem COVID diagnostiziert wurde?' oder 'Sind Sie kürzlich in ein Gebiet gereist, das ein hohes Infektionsrisiko aufweist?'. Wir haben diese Fragebögen aufbewahrt, um die Kontaktverfolgung zu erleichtern.
Da wir diese Unternehmensrichtlinien frühzeitig umgesetzt haben, waren wir gut vorbereitet, haben jedoch ständig hinzugelernt und mussten uns an neue Entwicklungen anpassen. Alle, die von zu Hause aus arbeiten konnten, wurden dazu ermutigt. Viele unserer Büromitarbeiterinnen und -mitarbeiter arbeiteten von zu Hause. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion, im Lager und in der Qualitätskontrolle mussten jedoch im Werk vor Ort sein. Wir wollten sicherstellen, dass diese Personen sicher ihrer Arbeit nachgehen können. Unsere genaue Überwachung der Situation umfasst die Meldung der Anzahl der Personen, die im Homeoffice arbeiten, der Anzahl der Personen, die nicht arbeiten konnten, die Anzahl der positiven Fälle, die Anzahl der aktiven Fälle und die Anzahl der überstandenen Infektionen an den Standort in Österreich.
In einer späteren Phase der Pandemie haben wir eng mit den lokalen Gesundheitsbehörden, genauer gesagt mit dem „Union County Health Department“, zusammengearbeitet, um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so schnell wie möglich Impfstoffe zur Verfügung zu stellen, da wir als systemrelevante Instanz gelten. Bevor der breiten Öffentlichkeit Termine zur Verfügung gestellt wurden, hatten wir die Möglichkeit, Termine für Personal zu vereinbaren, welches physisch im Werk anwesend sein musste.
Nachdem Sie ein Jahr lang mit einer Pandemie gelebt haben: Was, von dem Sie dachten, dass es niemals möglich wäre, hat – insbesondere aus HR-Sicht – gut funktioniert?
Wir mussten einige Dinge umsetzen, an die wir in einer normalen Situation nie gedacht hätten. Es galt also, über den Tellerrand hinauszuschauen. Während der Pandemie hatten wir eine große Anzahl offener Stellen. Das ist auch immer noch der Fall. Aufgrund der Pandemie war es kaum möglich, reguläre Bewerbungsgespräche zu führen. Um das Problem zu lösen, haben wir Drive-Through-Jobmessen umgesetzt. Bislang haben wir drei dieser Messen durchgeführt. Bewerberinnen und Bewerber konnten anstelle eines telefonischen Erstgesprächs zu unserem Werk fahren. So konnten wir sie persönlich treffen und sie mussten ihr Auto nicht verlassen. Die Sicherheit war durch das Tragen von Mund-Nase-Masken sichergestellt und wir konnten den Bewerberinnen und Bewerbern die üblichen Fragen stellen. Der Arbeitsmarkt als Ganzes steht aktuell vor großen Herausforderungen. Während die Unternehmen wieder hochfahren und sich die Produktion in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft kontinuierlich normalisiert, wächst der Wettbewerb um Arbeitskräfte. Alles in allem ist es uns jedoch gelungen, während der Pandemie zu wachsen. Wir sind also gut durch die Krise gekommen.
Aus interner Sicht ist die Anzahl der Teammitglieder, die von zu Hause aus arbeiten können, gestiegen. Ich persönlich bin sehr altmodisch und mag es, ins Büro zu kommen. Aber in einer Situation, die potenziell lebensbedrohlich sein und unser Unternehmen schädigen könnte, hilft es, zu verstehen, dass es eine Technologie gibt, dank derer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wesentlichen Funktionen ihrer Arbeit aus der Ferne ausführen können. Indem wir Menschen nach Hause geschickt haben, konnten wir Platz schaffen und das Abstandhalten am Arbeitsplatz ermöglichen. So wurden insgesamt nur 31 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv getestet und keiner dieser Fälle hat zu Ansteckungen in unserem Werk geführt. Ich dachte nicht, dass man ein Unternehmen am Laufen halten kann, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter remote arbeiten.
Welche Erfahrungswerte und Erkenntnisse ziehen wir aus der COVID-19-Pandemie? Wie wird sich die Art und Weise verändern, wie Greiner Bio-One in Zukunft arbeitet?
Ich hoffe, dass wir jetzt den Beginn der Rückkehr zur Normalität sehen. Ich glaube nicht, dass irgendetwas so sein wird, wie vor COVID-19. Doch je früher wir zur Normalisierung unserer Prozesse zurückkehren, desto besser. Wir haben gelernt, dass das Arbeiten aus der Ferne eine – sogar ziemlich erfolgreiche – Möglichkeit darstellt. Daher stellt sich nun die Frage, ob wir ab einem bestimmten Zeitpunkt alle Arbeitskräfte wieder ins Büro zitieren müssen. Ich glaube nicht. Ich denke, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in naher Zukunft wieder ins Büro zurückkehren werden, aber da wir die Anzahl der Beschäftigten hier in Nordamerika weiter erhöhen, wird der physische Arbeitsplatz zu einer limitierenden Komponente. Infolgedessen könnten wir mehr Wechselarbeitsplätze implementieren, sodass Teammitglieder nur einige Tage der Woche vor Ort sein und Arbeitsplätze geteilt werden können. Vielleicht teilen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Schreibtische oder sie haben einen gemeinsamen Arbeitsbereich. Dies könnte in Zukunft aufgrund der begrenzten Anzahl an Arbeitsplätzen zu beobachten sein. Ich denke, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften in der Region weiterhin hoch sein wird. Traditionell hat Union County eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in North Carolina. Die wirtschaftliche Unterstützung der Regierung im Zuge der Pandemie, wie etwa eine längere Bezugsdauer und ein höherer Betrag der Arbeitslosunterstützung bei Arbeitsplatzverlust, wirkt sich negativ auf die Rekrutierung von Arbeitskräften aus. Die Sozialhilfe ist im Moment sehr hoch und sie wirkt fast wie ein Anreiz, nicht zu arbeiten, weil der Einzelne das Einkommen, das er durch seine Arbeit hatte, ausgleichen kann. Wenn diese Bezüge beispielsweise in South Carolina auslaufen, müssen sich die Menschen eine neue Beschäftigung suchen. Natürlich ist es eine schlimme Situation, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer ihren oder seinen Arbeitsplatz verliert, ein Unternehmen den Betrieb einstellt oder Arbeitskräfte entlassen muss. Wenn sich die Dinge jedoch ändern, brauchen wir Menschen, die zurückkehren und zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen. Im Moment können wir die Auswirkungen dieser Maßnahmen noch deutlich spüren, aber ich gehe davon aus, dass dieser Effekt im Spätsommer oder Herbst vorüber sein wird. Glücklicherweise mussten wir unsere Belegschaft während der Pandemie nicht abbauen. Wir hatten im Dezember 376 Beschäftigte und seit letzter Woche sind es 417. Und wir haben immer noch rund 40 Stellen zu besetzen, weshalb wir neue Wege der Rekrutierung versucht haben. Zum Beispiel die Drive-Through-Jobmessen, Werbung in den sozialen Medien und ein aktualisiertes Mitarbeiterempfehlungsprogramm.
COVID scheint in den USA bald ein Ende zu haben (während andere Teile der Welt noch immer mit massiven Problemen kämpfen). Wie sind Ihrer Ansicht nach die Aussichten für die kommenden Monate?
Ich denke, die Situation wird sich nach und nach wandeln, da wir es mit etwas Unbekanntem und ganz Neuem zu tun haben. Wir können nicht vorhersagen, wie sich das Leben normalisieren wird. In der normalen Geschäftswelt war ich es gewohnt, Menschen persönlich zu treffen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Büros. Seit über einem Jahr gab es keine Mittagessen und kein Händeschütteln. Letzte Woche habe ich zum ersten Mal seit einem Jahr jemanden zu einem Geschäftsessen getroffen. Dennoch trugen wir beide Masken und gaben uns nicht die Hand. Das, was wir früher als normal wahrgenommen haben, ist also noch immer nicht zurück. Da Greiner ein globales Unternehmen ist, reisten viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig zu Meetings nach Europa. Dies war während der Pandemie aufgrund von Reisebeschränkungen nicht möglich. Daher haben wir unsere Meetings in eine virtuelle Umgebung mit Microsoft Teams verlagert. Ich halte dies für etwas Positives, da es uns helfen wird, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Dennoch denke ich, dass sich all das negativ auf unsere Unternehmenskultur auswirken wird. Die Kommunikation mit einzelnen Personen über Teams, Telefon oder E-Mail ist etwas ganz anderes, als kurz über den Gang zu jemandem ins Büro zu gehen, dort zu sitzen und ein paar Minuten zu sprechen. Es ist auch schwieriger, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Ferne zu schulen als persönlich vor Ort. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in Zukunft einige Herausforderungen geben wird. Die positiven Effekte überwiegen aber und wir können aus ihnen lernen und uns noch besser auf die Zukunft vorbereiten.
Wir haben darüber gesprochen, dass die Verlagerung der Geschäftswelt ins Virtuelle die Nähe zwischen den Kolleginnen und Kollegen verringert hat. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen mir jedoch im Gespräch oft, dass sie die Nähe, die familiäre Atmosphäre und das Zugehörigkeitsgefühl an der Arbeit für Greiner am meisten schätzen. Glauben Sie, dass wir uns sehr darum bemühen müssen, diese Atmosphäre wiederherzustellen, und wie können wir das schaffen?
Ich glaube schon. Denn gerade mit dem enormen Wachstum von Greiner Bio-One, das ich in den letzten zwanzig Jahren erlebt habe, ist es für mich zu einer größeren Herausforderung geworden, alle Kolleginnen und Kollegen zu kennen. Zum Beispiel hatten wir vor zwanzig Jahren, als ich anfing, 47 Beschäftige, einschließlich derjenigen im Außendienst. Daher denke ich, dass wir uns mehr bemühen müssen, diese Atmosphäre aufrechtzuerhalten und spürbar zu machen. Greiner ist ein großes Unternehmen. Dass es immer noch ein Familienunternehmen ist, zeigt, dass hier in den 152 Jahren Unternehmenswachstum etwas richtig gemacht wurde. Ich denke auch, dass das, was an diesem Unternehmen so attraktiv für mich ist, die familiäre Atmosphäre ist. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass wir dieses Familiäre lange erhalten. Ich habe das Gefühl, dass das einer der Erfolge ist, an denen Greiner sich messen kann: Fühlt es sich immer noch wie ein Familienunternehmen an?
Gibt es etwas, was Sie noch ergänzen möchten, worüber wir noch nicht gesprochen haben?
Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir in Bezug auf die aktuelle Lage weiterhin achtsam bleiben müssen. Auch wenn wir die Pandemie als Herausforderung und großartige Lernmöglichkeit sehen, dürfen wir nicht achtlos werden. Die Pandemie könnte bald vorüber sein und es scheint, dass das Leben wieder seinen Gang geht. Daher glauben wir nicht, dass wir uns bald wieder in einer solchen Situation befinden werden. Wir wollen aber weiterhin alles daran setzen, für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien ein sicheres und produktives Umfeld zu erhalten. Das, was wir tun, schaffen wir nur dank unserer Belegschaft. Sie ist unser größtes und wertvollstes Gut. Und als Vorstand diskutieren wir, wie wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu motivieren können, sich impfen zu lassen. Die Impfung ist bei uns nicht verpflichtend. Aber wir glauben, dass es allen besser geht, wenn wir die Herdenimmunität erreichen und die aktuellen Einschränkungen aufgehoben werden können.